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titel: hausprojekt

Schöner Kämpfen: Das Hauskollektiv der K9


Unser Haus ist mehr als ein reines Wohnprojekt. Es ist der Versuch, uns gemeinsam ein anderes Leben jenseits von gesellschaftlichem Anpassungsdruck, Vereinzelung und Entpolitisierung zu ermöglichen. Dabei versuchen wir nicht, uns außerhalb der Gesellschaft zu bewegen, sondern als sichtbares Experiment in die Gesellschaft hineinzuwirken. In unseren Mietverträgen heißt es hierzu unter anderem: „Das Hausprojekt bekennt sich dazu, Benachteiligungen und Diskriminierungen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, Bildung, sexueller Orientierung, körperlicher Verfasstheit und sozialer Lage, aber auch Tendenzen zu Kommerzialisierung, Vereinzelung und Nationalismus innerhalb und außerhalb des Hauses aktiv entgegenzuwirken.“ Dazu bekennen wir uns.
Wir haben unser Haus gekauft, es dann aber in ein Genossenschaftsmodell überführt. So kann auch langfristig kein Privateigentum an Wohnraum entstehen. Um hier einziehen zu können, muss keine_r Vermögen mitbringen. Wir haben unser Haus in jahrelanger Eigenarbeit saniert. Wir sind ein selbstverwaltetes Hausprojekt und bewältigen als Bewohner_innen alle Jobs, die damit zusammenhängen: von der Buchhaltung bis hin zum Hausmeister_innenjob.
Obwohl wir keine Kommune sind, gehen hier viele Alltagsangelegenheiten über ein gewohntes Maß hinaus. Hier sind alle Wohnungstüren offen. Aber jede_r kann sich ins eigene Zimmer zurückziehen. Auch hier gibt es Privateigentum. Aber wir versuchen so viele Dinge wie möglich zu teilen, um Ressourcen und Geld zu sparen und dem gesellschaftlichen Konsumzwang effektiv zu begegnen. Waschmaschinen, Küchen und ihr Inventar (außer der Lieblingstasse natürlich) gehören der ganzen Hausgruppe. Autos, Werkzeuge, Nähmaschinen, Schlitten und tausend andere Dinge werden miteinander geteilt bzw. untereinander ausgeliehen. Davon profitieren alle, und wir (er)leben, was Kollektivität für enorme Vorteile hat. Die Entscheidung über Neueinzüge treffen wir als Hausgruppe gemeinsam. Wie über viele andere Dinge, die uns verbinden. Die gesamte Hausgruppe trifft sich einmal wöchentlich zum Hausplenum mit anschließendem Umtrunk. Und einmal im Jahr fahren wir gemeinsam ein ganzes Wochenende raus, um zu diskutieren und Spaß zu haben. Denn am meisten profitieren wir von dem, was wir von anderen lernen können. Deshalb gibt es in der K9 auch keine Abstimmungen. Hier gilt das Konsensprinzip. Das heißt ausdrücklich nicht, dass einzelne per Veto alles verhindern können. Das bedeutet, dass hier alles so lange gemeinsam oder in Kleingruppen diskutiert wird, bis ein für alle tragbarer Konsens gefunden ist. Bei sehr schwierigen Themen kann das auch schon mal eine Weile dauern. Das erfordert Toleranz und Offenheit gegenüber anderen. Und es bringt uns die wertvolle Erfahrung, dass ein Leben ohne Bosse und Parteien möglich sein kann.
In der K9 gibt es eine Einheitsmiete. Alle zahlen dasselbe, egal wie groß ihr Zimmer ist. So kann jede_r unabhängig vom Einkommen im Zimmer der eigenen Wahl wohnen. Damit niemand für immer im kleinsten Zimmer wohnen muss und weil Alteingesessene kein lebenslanges Anrecht auf das schönste Zimmer haben sollen, wird hier alle drei Jahre „rotiert“. Am Tag der „Rotation“ ziehen alle gemeinsam um. In die Zimmer und die Küchen, auf die sich alle vorher gemeinsam geeinigt haben. Das machen wir schon immer so. Und bleiben dabei in Bewegung. Denn wer rastet rostet.
Die K9 ist das Kind einer Bewegung. An der Besetzung des Hauses waren 1990 mehrere tausend Menschen beteiligt. Und an seiner anschließenden jahrelangen Verteidigung noch viele, viele mehr. Hier, im einzigen besetzten Fabrikgebäude Friedrichshains, trafen sich die Besetzer_innenräte, fanden Solipartys und Informationsveranstaltungen statt. Wir wollen die damals erkämpften Freiräume als öffentlich nutzbare Räume erhalten. Deshalb besteht ein relevanter Teil des Hauses aus öffentlichen Räumen. Ladenräume (Küssen, Liberacion) und Ateliers haben wir vermietet. Doch das Herzstück des Hauses, die beiden Veranstaltungssäle, betreiben wir selber. Kollektiv als Hausgruppe. Wir stellen die beiden Säle kostenlos linken, verbands- und parteiunabhängigen Initiativen zur Verfügung. Für Gruppentreffen, Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Und an den Wochenenden auch für Solipartys. Wir kümmern uns um Räume, Möbel, Technik und Getränke. Das ist viel, viel Arbeit. Deswegen heißt der obere Veranstaltungssaal „Größenwahn“. Und das ist ein Abenteuer in einer Zeit, in der selbst organisierte, linke Politik immer stärker an den Rand gedrängt wird. Deshalb heißt der untere Tanzsaal „Leichtsinn“. Wir machen das alles, weil wir selber weiterhin politisch interessiert und aktiv sind. Und weil wir damit als Gruppe etwas gemeinsam machen, das über das reine Wohnen hinausgeht. Einen Auftrag, der uns daran erinnert, dass unser schönes Haus keine Insel ist, auf die wir uns bequem zurückziehen können. Sondern dass es da draußen gesellschaftliche Auseinandersetzungen gibt, die wir mit beeinflussen können. Und natürlich eignet sich das Ganze auch hervorragend für unsere eigenen Treffen, Feiern und unser alljährliches Hoffest.